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„Ich näme teil“ (sic!) stand in dem Fax, das bei der Jury hereinratterte. Gezeichnet Franz West. So kann man sich auch bewerben. Einer der bestverdienenden und bekanntesten Künstler der Welt braucht dazu nicht viele Worte und keine korrekte Orthografie. Da tut’s der Name. Aber von vorne... Von Antje Mayer.

Keiner sieht es

Wettbewerb für den Vorplatz des Wiener Museumsquartiers

Kolportierte 300 Künstler, Architekten und Designer wurden kürzlich eingeladen, um sich für den zweistufigen Gestaltungswettbewerb für den Vorplatz des Wiener Museumsquartiers anzumelden. Das MQ ist durch historische Gebäude fast gänzlich umgürtelt und kommuniziert sich so gut wie nicht nach außen. „Hier passiert es“, lautet der Werbeslogan des MQ. „Nur keiner sieht es“ könnte man hinzufügen.
Das Thema der Vorplatzgestaltung scheint jedenfalls reichlich anziehend zu sein. Die Jury-Mitglieder, zu denen unter anderem der Architekt Wolf P. Prix (Coop Himmelb(l)au), MUMOK-Chef Edelbert Köb, Museumsquartier-Architekt Laurids Ortner und die Künstlerin Brigitte Kowanz gehören, waren baff erstaunt, auf welch großes Interesse die Ausschreibung stieß. Alles, was Rang und Namen hat, meldete sich an: Sei es eine Zaha Hadid, eine Eva Schlegel, die Künstlergruppe Gelatin oder eben Franz West. Aus den eingereichten Plänen sollten ursprünglich 30 ausgewählt werden, wegen des großen Andranges einigte sich die Jury, so verlautet aus internen Kreisen, auf 50, die in die Endrunde dürfen. Im Januar soll ein erstes Ergebnis vorliegen.
Friede, Freude Eierkuchen? Nein, mitnichten. Viele Künstler zogen nämlich bereits entnervt ihre Bewerbung zurück. „Der Wettbewerb ist mit derartig vielen Auflagen verbunden, dass wir uns fragen, warum man dazu eigentlich Künstler eingeladen hat. Die können wegen der großen Einschränkungen so gut wie nicht frei arbeiten. Das ist vielleicht etwas für Architekten mit Hang zur Selbstausbeutung“, ärgert sich einer der geladenen -und international bekannteren- Künstler.
Dass es für die erste Stufe nicht einmal Geld gibt, für die zweite gerade einmal dünne 2.000 Euro -und die auch nur für wenige Vorngereihte-, empfanden viele regelrecht als Affront. Dass bisher das Budget zur Realisierung -ohnehin angeblich nur dünne 300.000 Euro- nicht einmal garantiert werden kann, setzt für viele dem Ganzen die Krone auf.
Dazu muss man wissen, dass es jahrzehntelang Debatten und Querelen im Vorfeld des Museumsquartier-Neubaus gab, nicht zuletzt wegen des sogenannten „Leseturms“. Die Diskussion, die sich zu einer regelrechten Hetzkampagne auswuchs, wurde damals massiv vom Revolverblättchen Kronenzeitung, namentlich von dessen Herausgeber Hans Dichand, angeheizt. Das Architektenduo Ortner & Ortner wollte mit dem Turm damals ein nach außen sichtbares Wahrzeichen schaffen, dass über den historischen Gebäudegürtel weisen sollte. Die konservativen Stimmen siegten. Der Turm wurde letztendlich nicht gebaut.
In Anbetracht dieser fast schon traumatischen Erfahrungen ist man nun verständlicherweise bemüht, nicht groß etwas vom Wettbewerb an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Wohl auch deswegen, um nicht schon im Vorfeld die inzwischen ruhenden Kritikergeister zu wecken. Der Entwurf muss das bestehende Leit- und Informationssystem in die Gestaltungsvorschläge integrieren, genauso wie die städtebauliche Situation. Dann sollten die Bewerber außerdem den Besucher- und Fußgängerströmen Rechnung tragen, das noch gar nicht realisierte Designcenter von Ortner & Ortner mitbedenken und dazu noch ein Info- und Ticketstand andenken. Und schlussendlich müssten dann freilich auch noch „genauestens die Grundsätze des Denkmalschutzes“ beachtet werden. Soll heißen: keine Verfremdung der Fischer-von-Erlach-Hauptfassade und die Einhaltung der historischen Blickachsen.
„Vom Denkmalsamt wurde bei der Vorlage eines Gesamtkonzeptes für die Zeichensetzung, Ankündigungen und Information im gesamten MQ Bereitschaft signalisiert, über Abweichungen zu den bisherigen Vorgaben in einen Dialog einzutreten“, heißt es im Papier. „Dialog“ soll heißen, dass vor allem die Skulpturennischen in der Sockelzone großzügigerweise bespielbar sein könnten. Aber herauskragen dürfe nichts.
Uff. Man mag sich bildlich vorstellen, wie Franz West seine rosa Wurstgebilde in den barocken Skulpturennischen verteilt. Und in einer größeren rosa Wurst am Platz davor, die raffiniert als Leitsystem und Ticketstand gleichermaßen fungiert –sitzt dann ein Student und informiert orientierungslose Japanergruppen.
Bei den Marktpreisen, die West derzeit erzielt, sprengte wohl selbst so eine Lösung das veranschlagte Budget. Vielleicht sollte man einfach Wests Bewerbungsfax auf die Fassade projizieren. „Hier passiert es. Ich näme teil.“



erschienen im Informationsdienst Nr.292/Jan.04,S.18ff